Viele von uns erinnern sich wahrscheinlich noch daran, wie während der Corona-Pandemie die Lehrpläne hastig gekürzt worden sind, um wenigstens halbwegs mit dem Stoff durchzukommen. Nicht zu selten ist dabei Statistik heimlich, still und leise aus den Lehrplänen gepurzelt. Dass aber ausgerechnet dieser Fachbereich auf die Studis der Sozial- und Verhaltenswissenschaften nochmal lauert, haben wahrscheinlich nicht so viele auf dem Schirm. Und viel weniger auf dem Schirm hatten sie alle die Inferenzstatistik…

Stellt euch vor, Donnerstag, 10 Uhr. Es ist (für studentische Verhältnisse) früh, niemand ist ausgeschlafen und wir haben das Gefühl wir laufen alle in die Gladiatorenarena ein, um den Löwen zum Fraß vorgeworfen zu werden.

So oder so ähnlich lässt sich das Gefühl beschreiben, wenn es zum Inferenzstatistik-Seminar geht. Überforderte, junge Erwachsene, die sich teils nicht einmal bewusst waren, was auf sie zukommt, stellen sich nun ihrer größten Angst: Die statistischen Testverfahren.

Noch vor einem Semester hatten wir die Statistikvorlesung, die uns bereits vor Augen geführt hat, was auf uns zukommen wird. Doch wie so oft mit tieftraumatischen Erinnerungen, haben wir auch diese verdrängt. Genauso haben wir verdrängt, dass das, was wir dort im Kleinformat noch ausgerechnet haben, jetzt als ellenlange Datensätze wieder auf uns zukommt.

Die Probleme sind vielfältig:

Bei manchen scheitert es schon daran, dass R – das Statistikprogramm – generell nicht will und nicht installiert werden kann. Hin und wieder will es aber auch nur die Datensätze nicht einlesen.

Wieder andere finden sich mit der schier endlosen Leere des Skripts konfrontiert. T-Tests? ANOVAs? Welcher von den 12.000 Befehlen, die wir gelernt haben, war nochmal dafür da?

Nach mühsamen Suchen – und Zuhilfenahme von ChatGPT – kommt dann doch irgendwann der erlösende Einfall und unter Aufwendung aller zerebralen Fähigkeit, wird ein Codestring zu Skript gebracht. Noch kurz alles auswählen und ausführen und – Error. Irgendein Element wurde nicht gefunden. Statt also den nächsten Schritt auszuführen, gehen wir auf Trouble Shooting. War es ein Tippfehler? Die falsche Variable? Oder hat R kurzzeitig eine Gewerkschaft gegründet und streikt?

Man weiß es meistens nicht.

Die wenigen, die bis hierhin noch nicht gescheitert sind, lehnen sich jetzt genüsslich zurück. Nur um sich nach zwei Sekunden später bestürzt vorzubeugen. Fünf, zehn, zwanzig Zeilen rattern durch die Konsole und es scheint nicht aufzuhören. Denn das Interpretieren wird uns auch nicht leicht gemacht.

Hat man sich doch irgendwann durch den Zahlendschungel gekämpft, rotzt man in den letzten zwei Minuten noch einen Antwortsatz in das Skript? Wissen wir überhaupt, welche Hypothese wir untersucht haben? Nein. Haben wir verstanden, warum wir die Zahlen in die lückentextartige Antwort einsetzen? Im Leben nicht. Wollen wir das alles nur hinter uns bringen und endlich in die Mensa? Wahrscheinlich.

Und nach all der Tortur, dem Unverständnis, dem quälenden Gefühl des Versagens – ist das Seminar auch schon um. Diejenigen, die die Stunde überlebt haben, flanieren mit stolzgeschwellter Brust aus dem Raum. Und die anderen? Die tauchen vielleicht um 16 Uhr nochmal auf, wenn dieselbe Stunde zu einer verträglichen Uhrzeit ein zweites Mal durchgegangen wird. Zum Glück sind unsere Dozierende gegenüber unseren Unzulänglichkeiten sehr verständnisvoll. Mit Engelsgeduld erklärt Sie uns jedes Mal aufs Neue, was wir da eigentlich durchgehen und kurz vor der Klausur macht es dann doch noch Klick. Denn dank den richtigen Dozierenden ist Inferenzstatistik gar nicht mal so schlimm wie befürchtet.