Theatervorschau: Alien[n]ation

Der Malsaal des Theaterhauses wird wieder zur Bühne. Schauspieler André Hinderlich hat dort oben das Stück Alien[n]ation geschaffen. Ein Stück über unsere immer schneller werdende digitale Welt.

Hoch oben im Dachgeschoss des Theaterhauses Jena befindet sich der Malsaal. Ein kleiner, länglicher Raum in den gerade mal 34 Stühle für das Publikum passen. In diesem kleinen Raum hat André Hinderlich in den letzten Wochen das Stück Alien[n]ation kreiert.

André Hinderlich: Es war so, dass mir der Raum gegeben wurde. Ich habe ihn mir auch nicht ausgesucht. Es war ein Spielort, der so bislang unter Wunderbaum noch nicht bespielt wurde. Es ist auch kein typischer Theaterraum, wenn man so will.

In der Mitte des Malsaals ist eine 7,5 Quadratmeter große Fläche abgeklebt, in dem düsteren Raum unterscheidet sie sich kaum vom restlichen Boden. Diese kleine Fläche ist Hinterlichs Bühne. Links und rechts, mit nicht mehr als 50cm Abstand sind die Stuhlreihen für das Publikum aufgestellt.

Wenn man nicht in die Matrix passt.

Hinderlich: Also ich habe dann auch irgendwann begonnen diesen Raum zu thematisieren. Die Idee ist sozusagen, dass wir durch die Beschleunigung der Welt in der wir gerade leben … Man könnte jetzt nicht sagen, dass Kommunikation durch E-Mails einfacher geworden ist. Es geht schneller, aber wir schreiben dafür viel mehr Mails. Es hat also eine Mengensteigerung stattgefunden und es gibt überall Beschleunigung in der Welt und dadurch hat man das Gefühl. dass der Raum schrumpft.

Ich thematisiere natürlich auch, dass mehr Zuschauer auf der einen Seite sitzen, als auf der anderen Seite. Es gibt einfach auch in unserer Gesellschaft Leute, die sehr viel mehr verdienen, als andere. Es gibt Leute, die sind priviligierter als andere – andere sind abgehängter. Und das ist auch Thema.

Alien[n]ation beschäftigt sich mit dem Menschen in unserer modernen und digitalen Zeit. Was geschieht mit uns, wenn sich der Kreis um uns immer enger zieht und wir uns von Bildschirmen und Monitoren unsere Zeit stehlen lassen? Diese Fragen werden von Hinderlich innerhalb von 60 Minuten in einer besonderen Art des Erzählens thematisiert.

Hinderlich: Es ist kein Monolog, sondern sehr eng hintereinander geschachtelte Fragmente. So muss man das auch verstehen, es ist ein Abend voller Fragmente, die in einander fließen. Es sind Figuren, die Verschiedene Probleme haben mit dem 21. Jahrhundert klarzukommen. Im Prinzip könnte man es auch, wie verschiedene Splitter einer einzigen Figur verstehen.

Das Stück ist parallel zu Hinderlichs Recherche entstanden. Für diese las er sich in naturwissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Texte zur Entwicklung unserer Gesellschaft ein. Nicht nur wir halten dem ständigen Anspruch nach Schneller, Besser, Weiter nicht stand. Auch die Umwelt leidet unter diesem Größenwahn, den wir uns selbst nicht erklären können.

Wie schön ist die virtuelle Welt?

Andere sehen wieder Hoffnung, im Fortschritt der Wissenschaft. Manche glauben, dass die Empathie zwischen den Menschen gerade durch das Voranschreiten der künstlichen Intelligent steigen wird. Hinderlich teilt diese Meinung nicht so ganz.

Hinderlich: Oder ich stelle mir die Frage: “Okay, was tun wir dann?” Auch wie die Leute in Chats miteinander umgehen, das ist mitunter nicht sehr empathisch, finde ich.

An der Wand hängt ein Blätterwald aus Einsen und Nullen – eine greifbar gemachte Matrix. Auf der Rückseite einiger dieser Blätter stehen Zitate aus Chatverläufen, die Hinderlich auf Online-Dating-Webseiten gesammelt hat. Wegen eben dieser Zitate hat das Theaterhaus sich dafür entschlossen, das Stück erst ab 16 Jahren freizugeben.

Hinderlich: Ich habe mit Leuten unter einer Fake-Identität geschrieben und habe geschaut, was passiert.

Bei seiner Recherche besuchte Hinderlich eine Vorlesung des jeaner Soziologieprofessors Hartmut Rosa und las einige seiner Texte. Schon im Jahr 2005 stellte Rosa die Entwicklung unserer Gesellschaft in seinem Buch „Beschleunigung“ in Frage.

Hinderlich: Es gibt eben keine so richtige Antwort, glaube ich. Wir können die Zeit ja nocht zurückdrehen und das Internet abschaffen. Das ist ja auch nicht Sinn und Zweck der Geschichte. Das Internet hat ja auch viele Vorteile, ich erlebe das ja auch, dass ich das nicht nur schlecht finde.

Hartmut Rosa sagt etwas interessantes, nämlich dass es vielleicht auch mal an der Zeit ist die Notbremse zu ziehen. Das halte ich für keinen schlechten Gedanken.

Termine:

05.04 (öffentliche Hauptprobe) // 06.04 (Premiere) // 13.04 // 03.05 // 04.05 // 11.05 // 29.05 // Die Vorstellungen beginnen jeweils um 20 Uhr

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