Im Gespräch: Rassismuskritik in der Bildung

Was ist Rassismus, wie entsteht er und was können wir als Gesellschaft dagegen tun? Im Interview mit Karim Fereidooni, einem Juniorprofessor an der Uni Bonn, hat Sonja einiges in Erfahrung gebracht…

Rassismus ist ein kompliziertes Thema. Um Rassismus und seine Aktualität einschätzen und kritisieren zu können, sollte man sich erst ein mal mit dem Begriff beschäftigen. Rassismus ist eine spezielle Form der Diskriminierung, also der Ausgrenzung, und eine damit einhergehende künstliche Aufteilung der Gesellschaft in Klassen. Warum künstlich? Weil es diese Form der Diskriminierung nicht immer gab. Tatsächlich lässt sich ihre Entstehung auf die Kolonialisierung großer Teile der Welt durch Europäer zurückführen. In dieser Zeit wurden menschliche Rassen „konstruiert“: Sich äußerlich voneinander unterscheidenden Menschen wurden angeborene Eigenschaften zugeschrieben und diese wurden fortan als Legitimation genutzt, um zu versklaven – oder versklavt zu werden. Dieses kolonialistische Denken ging mit der Zeit in die Alltagskultur über, erklärte uns Karim Fereidoni, Juniorprofessor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung in Bonn.

In der Regel sprechen wir von Alltagsrassismus, wenn Menschen mit einem Migrationshintergrund direkt oder indirekt in ihrem Umfeld auf ihre Herkunft reduziert, oder häufig darauf angesprochen werden. Dabei kann es teilweise sogar zu Gewalttaten kommen. Aber auch durch bestimmte Kommentare kann sich (unser?) Alltagsrassismus zeigen. Alltagsrassismus kann dann zum Problem werden, wenn sich die Gesellschaft von diesen Bildern im Kopf, vom Fantasma, wie Karim Fereidooni es bezeichnet, lenken lässt. Wenn sie darüber entscheiden, wer Teil unserer Gesellschaft ist und wer nicht und wenn in einer pluralen Gesellschaft nicht alle dieselben Chancen haben.

Das Konzept „Rassismus“ ist heutzutage sowohl im Alltag, als auch in der Forschung bekannt. Trotzdem existiert er weiterhin in unserer Gesellschaft und es sind nicht immer Veränderungen erkennbar: Ein Beispiel dafür sind Schulen. Dies kann an unserer Herangehensweise an das Problem liegen. Oft übernehmen wir als Individuen nicht ausreichend Verantwortung für unser Handeln und Denken. In seinem Vortrag konzentrierte sich Herr Fereidooni besonders auf Schulen und das Bildungssystem. Die Schule ist eine Institution, in der Kinder aber auch Lehrkörper verschiedenster Herkunft aufeinander treffen und mit bewusstem, sowie unbewusstem Alltagsrassismus konfrontiert werden. Gerade deshalb kann die Schule als Ort gesehen werden, an dem Rassismus verstanden und kritisiert werden sollte.

Was kann man also dagegen tun und wer kann überhaupt etwas tun? Der erste Schritt sollte sein, dass wir uns Gedanken machen, auch als Person ohne Migrationshintergund. Bin ich Teil der Gesellschaft, in der ich lebe? Was musste ich tun, um als Teil der Gesellschaft angenommen zu werden und mich integriert zu fühlen? Wie geht es Menschen in meinem Umfeld und welche Erwartungen hat die Gesellschaft an sie? Und: Welche Vorstellungen habe ich von Nichtweißen Menschen? Diese Fragen können uns helfen zu verstehen, dass Rassismus kein Fehler und auch kein Problem einzelner Personen ist. Es ist ein komplexes Konstrukt, mit dem sich alle Mitglieder der Gesellschaft als Betroffene auseinandersetzen sollten, so Fereidooni.

Bildquelle: Archiv

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