Wer im Osten von Deutschland wohnt, der weiß, dass prinzipiell am 30. Oktober gefeiert wird, um den freien Reformationstag bzw. Halloween zum Ausnüchtern und -schlafen zu nutzen! Das gilt auch für Leipzig – doch nicht alle Nachteulen zog es gestern in die Clubs und Bars dieser Stadt. Einige zog es gestern in den Leipziger Felsenkeller – und zu Von Wegen Lisbeth! Mehr erzählt euch unsere Alt-Eule Viki.
Dass Von Wegen Lisbeth mittlerweile eine Institution der deutschen Indie-Musik ist, weiß wahrscheinlich mittlerweile jede Person, die mal in diese Musikrichtung reingehört hat. Kein Wunder also, dass ihr gestriges Konzert im Leipziger Felsenkeller ausverkauft war! Die Vorfreude ist den Fans gleich anzumerken, die sich aufgeregt in der lauwarmen Oktobernacht in einer langen Schlange vor der Location eingefunden haben. Das Warten, so wird es der Abend zeigen, wird sich auch gelohnt haben. Doch betrachten wir mal eins nach dem anderen.
So ziemlich um 19 Uhr wird der Einlass eröffnet und die Menschenmassen strömen in den ehemaligen Ballsaal des Felsenkellers, der sich schnell füllt. Von Anfang an fällt auf, was für eine bunte Mischung sich doch heute hier eingefunden hat: Von vorfreudigen Familien mit ihren Kindern, entspannten Leuten im mittleren Alter bis hin zu nervös-aufgekratzten Studierenden ist alles dabei. Vielleicht liegt das nicht nur an dem Urgestein Von Wegen Lisbeth, sondern auch an der Vorband: Remote Bondage.
Dem Voract muss an dieser Stelle nämlich schon mal ein großes Lob ausgesprochen werden – sie haben etwas geschafft, was auch bei großen Künstler:innen selten klappt. Denn Remote Bondage eröffnet pünktlich um 20 Uhr den musikalischen Teil der Show. Mit punkigen Sounds und wichtigen feministischen Botschaften bringen sie die beachtliche Menge an Leuten zum Springen, Tanzen und Mitgrölen. So hinterlassen sie nach rund dreißig Minuten des Ablieferns zwei Dinge: Einen tollen Eindruck beim Publikum, der Lust auf mehr macht – und eine Menge, die schon ganz gierig auf Von Wegen Lisbeth wartet.
Die fünf Jungs lassen sich auch nicht lange bitten – und spielen dafür umso länger. Über eineinhalb Stunden nimmt Von Wegen Lisbeth das Publikum mit in ihre Musik, die sich irgendwo zwischen Synthie-Sphäre und pointierten Indie-Lyrics bewegt. Dabei überzeugt besonders die Mischung ihrer Set-Liste: Alte Klassiker wechseln sich mit Schmuckstücken ab, die vielleicht nicht in jeder deutschen Indie-Playlist landen, und die es doch verdient hätten. Ein besonderes Highlight? Gleich vier Songs von ihrem im Dezember kommenden Album werden bereits bei dem Konzert zum Besten gegeben. Die Leute waren sichtlich begeistert – es kann an dieser Stelle also bereits relativ sicher ein Erfolg prognostiziert werden. Besondere Publikumslieblinge waren aber sichtlich altbekannte Hits, wie „Elon“, „Wenn du tanzt“ oder „Meine Kneipe“. Auch „Bitch“ spielte die Band – dabei ließen sie es sich aber nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass der Song mittlerweile so wohl nicht mehr geschrieben werden würde und sie den Begriff „Bitch“ ziemlich problematisch finden, aufgrund seiner Konnotationen. Stattdessen hat die Band einfach eine stimmliche Pause eingelegt, wenn das Wort im Song auftaucht, und es so jeder Person selbst überlassen, ob und was in die Lücke hineingesungen wird.
Gegen 22 Uhr dreißig beendet Von Wegen Lisbeth dann auch die Zugabe – und die Leute strömen erschöpft, mit heiseren Stimmen und wunschlos glücklich in die Leipziger Nacht hinaus. Einige wird es noch zu der ein oder anderen Party gezogen haben, die nächsten vielleicht noch in eine Bar oder einen Späti und wieder die nächsten einfach nur nach Hause. Alle aber – mich eingeschlossen – werden mit einem Lächeln, einem leichten Gehörschaden und einem Ohrwurm aus dem Saal gegangen.