Unverpixelte Bilder, Klarnamen und nicht gekennzeichnete Werbung. Was beim Rundfunk an die Landesmedienanstalten geht, sieht bei den Printmedien schon anders aus. Die Printmedien haben nämlich ihr eigenes Organ – den Deutschen Presserat. Was genau das ist, welche rechtliche Stellung er hat und ob seine Entscheidungen eine Bedeutung für Werbetreibende in Medien haben, hat unsere Eule Viki für euch in einem Campusradio Jena Informiert und zwei “Im Gespräch” zusammengetragen!

Der Deutsche Presserat ist für den Print das, was die Landesmedienanstalten für den Rundfunk sind. Doch was genau macht er überhaupt? Wie ist er organisiert? Und wie kann ich überhaupt meine Beschwerden dort einbringen? Mehr dazu in unserem Campusradio Informiert: Der Deutsche Presserat!

So viel zu dem, was der Deutsche Presserat ist und tut. Doch was machen Personen, wenn sie mehr als nur eine Beschwerde beim Presserat einreichen wollen? Können Rügen bei einer Klage eine Rolle spielen oder sind sie letztlich völlig egal für Gerichtsprozesse? Und wie ist es überhaupt um unsere Pressefreiheit in Deutschland gesetzlich bestellt? Um diese Fragen zu klären, habe ich mit Herrn Prof. Dr. Christian Alexander gesprochen, Professor für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Medienrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena!

Der Deutsche Presserat hat also vor allem eine Auswirkung auf die Reputation von Medien. Aber – wie wichtig ist der Ruf eines Printmediums bei Werbetreibenden? Hat er überhaupt einen Einfluss auf ihre Entscheidung, wo wie viel Werbung platziert wird? Oder gibt es andere, maßgebendere Faktoren? Darüber habe ich mit Herrn Prof. Dr. Nicolas Zacharias gesprochen, Lehrstuhlinhaber für den Bereich Marketing des wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Friedrich-Schiller-Universität Jena!


Für Personen, die die Audios nicht hören wollen/können, gibt es hier den Volltext zum Campusradio Jena Informiert und die Interviewfragen in schriftlicher Form!

Campusradio Jena Informiert: Der Deutsche Presserat

Wie so vieles in Deutschland, ist auch der Deutsche Presserat eine Konsequenz des Nationalsozialismus. 1956 wurde der Presserat durch zwei Verleger- und zwei Journalistenorganisationen gegründet. Seitdem ist die selbst gewählte Aufgabe des Presserats, das Ansehen der deutschen Presse zu wahren und gleichzeitig die Pressefreiheit zu schützen. Dabei ist der Presserat keine in komplexe Gesetze eingebundene Institution wie die Landesmedienanstalten, sondern eine frewillige Selbstkontrolle der Printmedien. Der Presserat setzt sich zudem für den ungehinderten Zugang zu Nachrichtenquellen für Journalist:innen ein und wirkt an der Selbstregulierung des Redaktionsdatenschutzes mit. Der Redaktionsdatenschutz bezieht sich dabei auf die privilegierte journalistisch-redaktionelle Datenschutzhandhabung, die Journalist:innen zusteht.

Bei der Gründung des Presserats am 20. November 1956 war der Datenschutz aber noch die kleinste Sorge. Schon ein paar Jahre nach der Gründung wird der Presserat verklagt und der Zensur beschuldigt – zu Unrecht, wie ein Gericht befindet. Dennoch setzt sich die damalige Organisationsstruktur des Presserates nicht durch. In den 80ern steckt der Presserat in der Krise, nachdem es zu Streitigkeiten über die Sanktionen kam und Journalist:innen ihre Mitarbeit ruhen ließen.

Erst im Februar 1985 lässt sich eine Lösung finden, die bis heute noch die Struktur des Presserats bildet. Seitdem besteht der Presserat aus vier Trägerverbänden, wobei jeweils zwei Verbände für Journalist:innen (DJV, dju) und zwei Verbände für Verlage sprechen (BDZV, MVFP). Diese gründeten den “Trägerverein des Deutschen Presserates”. Durch Beiträge der Trägerverbände und einen jährlichen Zuschuss vom Bund wird die Arbeit des Presserates finanziert, der zum Großteil jedoch ehrenamtlich agiert.

Insgesamt können so die drei Beschwerdeausschüsse und der Beschwerdeausschuss für Redaktionsdatenschutz beim Presserat besetzt werden. Diese Gremien tagen vier Mal pro Jahr und beschäftigen sich mit den eingegangen Beschwerden. Zudem gibt es eine Vollversamlung, auf der über inhatliche ethische Fragen zwei Mal jährlich diskutiert wird. Dabei kann es um Stellungnahmen gehen – oder neue Richtlinien für den Pressekodex.

Auch der Pressekodex hat einen Vorgänger, der aus der Zeit gefallen ist. Anfangs arbeitet der Presserat noch mit den “Richtlinien für publizistische Arbeit nach Empfehlungen des Deutschen Presserates”. Erst ab 1973 wird durch den Pressekodex gereglt, was die ethischen Standards im Print sind. Seitdem wird der Pressekodex kontinulierlich diskutiert und bei Bedarf angepasst. Mittlerweile berücksichtigt er insgesamt 16 Punkte.

Die im Kodex enthaltenden Aspekte sind vielseitig. So sollen redaktionelle Inhalte von Werbung oder die Arbeit als Journalist:in von anderen Tätigkeiten strikt getrennt werden und es dürfen keine Vorteile aus der journalistischen Tätigkeit gezogen werden. Auch gibt es Grenzen, wie weit bei der Recherche gegangen werden darf oder wie die Berichterstattung aussehen darf. So gilt beispielsweise die Unschuldsvermutung, wenn über Tatverdächtigte berichtet wird und eine allgemeine Sorgfaltspflicht bei der Recherche. Generell verlangt der Pressekodex eine wahrhaftige Berichterstattung, was auch bedeutet, dass unwahre Aussagen in Artikeln richtgestellt werden müssen. Die Achtung der Menschenwürde, der Persönlichkeitsschutz und der Schutz der Ehre müssen genauso wie das Berufsgeheimnis eingehalten werden. Auch Diskriminierungen jeglicher Art oder Sensationsberichterstattung sind untersagt.

Ähnlich wie der Pressekodex sich im Laufe der Zeit verändert hat, hat sich auch der Zuständigkeitsbereich des Deutschen Presserates mit der Zeit erweitert. Ursprünglich nur für Printmedien zuständig, ist der Presserat heuzutage auch für die Onlineableger von Printmedien zuständig. Seit dem Medienstaatsvertrag von 2020 gibt es zudem einen weiteren Sonderfall. Reine Onlinemedien ohne Verlagszugehörigkeit, die jouranlistisch-redaktionell arbeiten, wie beispielsweise Blogs unterstehen eigentlich der Aufsicht der jeweiligen Landesmedienanstalt. Doch diese Medien haben ebenfalls die Möglichkeit, sich dem Presserat unterzuordnen, den Pressekodex anzuerkennen und sich somit der Aufsicht des Presserats zu unterstellen.

Für all diese Medien ist der Presserat zuständig. Dabei handelt der Presserat nicht proaktiv bei Verstößen gegen den Pressekodex. Stattdessen behandelt der Presserat nur Beschwerden. Diese können Privatpersonen, Vereinen und so weiter beim Presserat gestellt werden. Die Beschwerde muss schriftlich – entweder per Post oder über die Homepage – eingereicht werden, und darf nicht anonym sein. Artikel dürfen nicht älter als ein Jahr sein – ausgenommen sind hierbei Datenschutzbeschwerden – und der Artikel muss komplett eingereicht werden. Nach Eingang der Beschwerde erfolgt eine Vorprüfung. Ist die Beschwerde noch in der Frist eingereicht worden, begründet und verstößt offensichtlich gegen den Pressekodex, geht es weiter. Da wird die betroffene Redaktion, über die sich beschwert wurde, vom Presserat um eine Stellungnahme gebeten. Wenn die Beschwerde begründet ist, wird sie auf einer Sitzung des Beschwerdeausschusses behandelt und der Beschwerdesteller oder die Beschwerdestellerin wird über die Entscheidung schriftlich informiert.

Der Presserat kann – wenn die Beschwerde als begründet eingestuft wird – verschiedene Maßnahmen ergreifen. Er kann einen Hinweis oder eine Missbilligung an die zuständige Redaktion aussprechen. Der Presserat kann eine nicht-öffentliche Rüge, also Zurechtweisung, aussprechen, wobei auf einen Abdruck verzichtet wird. Das kann beispielsweise mit dem Opferschutz zusammenhängen. Es gibt auch die öffentliche Rüge mit Abdruckverpflichtung, die härte Sanktion des Presserats. Hier ist die Redaktion verpflichtet, die Rüge öffentlich in der nächsten Ausgabe zu veröffentlichen oder bei Onlineangeboten mit auf der Seite des Artikels abzubilden. Zusätzlich kann eine Beschwerde begründet sein, ohne, dass weitere Maßnamen verhangen werden. Dies tritt zum Beispiel ein, wenn die Redaktion selbst den Fall berichtigt hat, zum Beispiel durch eine redaktionelle Richtigstellung. Bis zu zwei Wochen nach der Entscheidung des Presserats können Beschwerdesteller:innen unter gewissen Bedingungen die Entscheidung anfechten und eine Wiederaufnahme beantragen. Damit ersetzt der Presserat aber nicht die Möglichkeit, auch gerichtliche Maßnahmen zu ergreifen.

Zum Schluss noch ein konkretes Beispiel. Am 8. März 2023 veröffentlichte BILD Online einen Artikel mit dem Titel: “Oma Herta (85) starb bei Haus-Explosion”. Die Beschwerdestellerin emfpand es als herabwürdigend und diskriminierend, die Bezeichnung “Oma” pauschal für ältere Menschen zu benutzen. Zudem veröffentliche BILD Online ein unverpixeltes Foto des späteren Brandopfers. Der Deutsche Presserat gab dieser Beschwerde nur teilweise Recht. In der Bezeichnung “Oma” hat der Presserat keine Ehrverletzung oder Diskriminierung gesehen. Die Veröffentlichung des unverpixelten Bildes geschah ohne vorher die Einwilligung der Angehörigen einzuholen. Der Presserat sah damit einen Verstoß gegen den Opferschutz und gegen den Schutz der Persönlichkeit. Die Konsequenz war eine öffentliche Rüge mit Abdruckverpflichtung. Stand Januar 2024 hat der Artikel gar kein Bild mehr und ist hinter einer Bezahlschranke, sodass nicht eingesehen werden kann, ob die Rüge veröffentlicht wurde oder nicht.

Im Gespräch: Prof. Dr. Christian Alexander (Professor für bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Medienrecht, Friedrich-Schiller-Universität Jena)

  1. Wie weit geht denn aber letztendlich die Pressefreiheit, wie sie in Artikel 5 beschrieben ist?
  2. Können Sie die Relevanz des Spiegel-Urteils für Printmedien einordnen?
  3. Könnten Sie grob umreißen, worin die Unterschiede zwischen Printmedien und Rundfunk- bzw. Telemedien liegen, wenn es um die rechtlichen Regelungen geht? Und welche Rolle spielt der Deutsche Presserat, der ja ein Selbstkontrollorgan der Presse ist?
  4. Können Sie erörtern, was der Medienstaatsvertrag bedeutet, bezogen darauf, wie journalistisch-redaktionelle Online-Medien sich regulieren und überwachen lassen können?
  5. Die härteste Sanktion des Deutschen Presserats ist die öffentliche Rüge mit Abdruckverpflichtung. Aber wie verpflichtend ist diese wirklich?
  6. Spielen Rügen des Deutschen Presserats trotz seiner Stellung als freiwilliges Selbstkontrollorgan eine Rolle für Gerichtsverfahren, wenn eine Person gegen Berichterstattungen gerichtlich vorgehen?

An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Prof. Dr. Christian Alexander für seine Zeit und Expertise!

Im Gespräch: Prof. Dr. Nicolas Zacharias (Professor für Marketing, Friedrich-Schiller-Universität Jena)

  1. Da der Presserat keine rechtliche Institution ist, sondern ein Organ zur Selbstkontrolle der Printmedien, haben die Sanktionen des Presserats hauptsächlich nur Auswirkungen auf den Ruf eines (Print-)Mediums. Doch wie wichtig ist den Werbetreibenden der Ruf eines Mediums, wenn es darum geht, zu entscheiden, über welchen Ausspielweg ein Produkt vermarktet wird?
  2. Gibt es nachweißlich Hinweise darauf, dass das Umfeld, in dem eine Anzeige platziert wird (Advertisement Environment/Ad Environment) auch einen Einfluss auf die Wahrnehmung und Bewertung der Anzeige bzw. des beworbenen Produkts hat?
  3. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung des (Print-)Mediums und der Wahrnehmung eines annoncierten Produkts? bzw. der Bewertung des (Print-)Mediums und der Bewertung des annoncierten Produkts?
  4. Welche Faktoren spielenneben dem Ruf eines (Print-)Mediums eine Rolle bei der Auswahl, auf welchem Ausspielweg ein Produkt vermarktet wird?

An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Prof. Dr. Nicolas Zacharias für seine Zeit und Expertise!