Eulenspiegel – der Kommentar aus der Redaktion: Ich bin kein Feminist, aber…

von Rebecca Bück

Am 8. März ist Weltfrauentag. In feministischen Kreisen heißt dieser Tag “Feministischer Kampftag”. Dieser Titel allein sorgt oft für Diskussionen – nicht alle wollen sich mit Feminismus identifizieren. Ein Kommentar zur Angst vor dem Wort Feminismus.

Eulenspiegel: Ein Kommentar aus der Redaktion

Heute ist Weltfrauentag! Oder auch: feministischer Kampftag. Aber muss das sein? Muss man denn alles immer so überdramatisieren? Ja, aber dazu kommen wir gleich. Erstmal möchte ich eine grundsätzliche Sache klären: die Angst vor dem Wort Feminismus.

Vor kurzem habe ich mich mit einem Freund unterhalten und wir sind auf das Thema Feminismus gekommen. Ich frage also, würdest du dich als Feminist bezeichnen? Nein. Beziehungsweise, was bedeutet Feminismus eigentlich? Dass man für die Gleichstellung und Gleichberechtigung aller Geschlechter einsteht, erkläre ich. Achso. Mhm, ja dafür ist er auch.

Was ist also das Problem? Nicht die Inhalte. Am Anfang war das Wort, heißt es und mir scheint, das Problem hier ist das Wort. Und das kann ich teilweise sogar verstehen.

Nur damit das klar ist, ich bin Feministin. Mir macht der Begriff keine Angst. Im Gegenteil, Feminist:in sein ist für mich ein Qualitätsmerkmal. Aber ich verstehe, wieso man vor diesem Wort zurückschrecken könnte.

Radikale Feminist:innen sind vor allem eines: radikal. Das geht oft über die Vorstellung vieler Menschen hinaus. Meine manchmal auch. Schlecht ist radikaler Feminismus deswegen nicht. Man braucht radikale Bewegungen für Fortschritt. Wer sich einmal mit der Geschichte des Feminismus und den Frauenbewegungen im 20. Jahrhundert beschäftigt, merkt schnell, dass ohne dieses radikale Denken und Handeln der Feminismus nicht weitergekommen wäre.

Das bringt mich schon zur Generation Alice Schwarzer. Das Wort Feminismus hat dank ihnen nochmal ein ganz anderes Gschmäckle. “Männerhassende, unrasierte Kampflesben”. Und heutzutage: transexklusiver, also Transfrauen auschließender, teilweise anti-muslimischer Feminismus. Auch nicht mehr zeitgenössisch. Übrigens gibt es im Feminismus viele Strömungen – man müsste also sowieso von Feminismen sprechen. Viele radikale Feminist:innen sind auch eher transexklusiv und äußern sich fragwürdig zu Sexarbeit. Nach dem Motto, Frau muss Frau sein und darf sich nicht verkaufen. Es ist also immer ein Zwiespalt mit Feminist:innen wie Frau Schwarzer: man ist dankbar, dass sie den Weg für Feminismus in Deutschland geebnet haben, aber gleichzeitig weiß man: you give feminism a Bad Name.

Natürlich fragen sich auch viele: warum eigentlich Feminismus? Männer erfahren doch auch Diskriminierung. Das ist richtig. Wer sich aber mit Feminismus auseinandersetzt, sollte schnell merken, es geht hier um alle. Und Diskriminierung von Männern nur als Gegenargument zu Diskriminierung von Frauen zu verwenden, ist auch ziemlich lahm. Der Name kommt eben aus Zeiten, als es vor allem um die Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft und vor dem Gesetz ging.

Feminismus ist nach wie vor relevant, mehr noch: notwendig.

Frauen verdienen weniger für die gleiche Arbeit, übernehmen zumeist immer noch unbezahlte Care-Arbeit, sind vergleichsweise öfter sexueller Diskriminierung ausgesetzt als Männer, zahlen mehr durch die Pink Tax, werden in Femiziden getötet, müssen ihre körperliche Autonomie immer wieder verteidigen, auch gegen das Gesetz wie verschärfte Abtreibungsgesetze in vielen Ländern zeigen, und haben obendrauf noch niedrigere Renten. Die Liste hört hier nicht auf, Diskriminierung ist so allgemein wie sie individuell ist. Und ich kann versprechen: jede Frau, ob sie es gemerkt hat oder nicht, hat schon einmal Diskriminierung erfahren. Für Frauen of Colour verdoppeln sich die Faktoren, und Transfrauen erfahren ihre ganz eigene Art von Diskriminierung. Intersektionalität nennt sich das: das Phänomen, von mehreren Formen von Diskriminierung gleichzeitig betroffen zu sein. Um also die Phrasierung vom Anfang zu verwenden: man muss es gar nicht überdramatisieren – es ist schon dramatisch genug.

Ist also der Begriff Feminismus wirklich das Problem? Oder kann es sein, dass du dich noch nicht mit allem, wofür er steht, auseinandergesetzt hast und deine Unsicherheit mit Ignoranz bewältigst? Komm drüber weg. Bilde dich, Angebote gibt es genug. Ob du dich am Ende Feminist nennst, ist mir persönlich ein bisschen egal – aber Angst vor dem Wort sollte man nicht haben.

An dieser Stelle ein paar Worte an eingefleischte Feminist:innen: erstens, tolle Arbeit – weiter so. Zweitens – chillt mal. Nicht alle haben das 1×1 des Feminismus so drauf wie ihr. Können wir Lernen wieder zulassen? Im feministischen Diskurs fühlen sich viele eingeschüchtert. Wer sich verspricht, etwas verwechselt oder mal nicht gendert, wird praktisch aus der Gemeinschaft gekickt. Was soll der Quatsch? Wir brauchen so viel Unterstützung wie möglich. Wer das nicht sieht, ist auch keine Hilfe.

Wir brauchen also einerseits eine höhere Bereitschaft sich mit dem Thema auseinanderzusetzen – unabhängig ob man direkt davon betroffen ist oder nicht – , und andererseits eine bessere Willkommenskultur in der feministischen Gemeinschaft. Klingt das machbar? Ich denke schon. Feminismus hilft allen, und sich Feminist:in nennen zu dürfen ist ein Kompliment und Aufgabe zugleich. Und es gibt zu viel zu tun als dass man sich an einem Wort abarbeiten sollte.