Augenschmaus ist sowas von gestern, denn heute gibt es was für die Ohren. Das neue Album “Earcandy” von der Musikerin “Miso Extra” setzt sich wie klebriger Kaugummi im Kopf fest. Unsere Musikeule Tim kann genauer sagen, was genau dieses Release zu solch einen (Gummi)-Ohrwurm macht.
Was als rassistischer Kommentar seinen Ursprung fand, wurde sich angeeignet und symbolisch zum eigenen Künstlernamen umgewandelt. “Miso Extra” ist der Name, unter welchem die besagte Künstlerin ihre Musik schafft.
Als Tochter eines britischen Vaters und einer japanischen Mutter wird Emily alias “Miso Extra” in Hongkong geboren. Es dauert nicht allzu lange, bis sie als Kind nach Japan umzieht und dort mehrere Jahre verbringt. Doch auch dort hält es sie nicht ewig, ihre Familie entscheidet sich zu einem Umzug nach Großbritannien. In ihrer Schulzeit findet sie ihre multikulturelle Identität als ständigen Begleiter vor, eine uneindeutige Zugehörigkeit zwischen Ost und West. Begeisterung für die Welt der Musik zeigt “Miso Extra” während ihrer Kindheit, der erste Berührungspunkt ist das Erlernen der Violine. Es braucht jedoch ein großes Ereignis viele Jahre später, um die professionelle Karriere der Künstlerin zu kickstarten. Die Corona-Pandemie bietet den perfekten Anlass, um sich abseits des Alltags der musikalischen Leidenschaft zu widmen und eine Künstlerfigur zu entwerfen. Es ist die Geburtsstunde von “Miso Extra”, die im darauffolgenden Jahr 2021 ihre ersten Singles veröffentlicht.
“Earcandy” als Debutalbum markiert einen Meilenstein in der Karriere von “Miso Extra”. Fließende Wechsel zwischen Englisch und Japanisch treffen in Form von Gesang und Rap auf energetisch umherspringende Production, zu großen Teilen von der multitalentierten Künstlerin selbst geschaffen. In dem Bonbonpapier aus infektiösen Rhythmen und catchy Melodien sind ernstere Themen wie Verletzlichkeit, Wachstum und Selbstermächtigung verpackt. “Miso Extra” beschreibt es in einem Interview als “Süße, die bei der Einnahme von Medizin helfen soll”. Schon gleich zu Anfang des Albums beginnt mit dem Song “Love Train” die Frage, wie und warum man sich verliebt. Der zum Tanzen geeignete Followup “POP” ist eine fast schon obsessiv anmutende Hymne auf das Verknalltsein. Einfühlsamer geht es auf dem Finisher-Track “Earcandy” zu, eine ruhige Verkündung der Freude am Fallenlassen von Barrieren und dem Zeigen von Verletzlichkeit. Eine quietschpinke Mischung aus Energie und Einfühlsamkeit macht den Kern des gesamten Albums aus.
Das ist “Miso Extra” mit ihrem Album “Earcandy” – ein täuschend leichtherziges Werk mit vielen berührenden Themen – und verdienterweise das Campuradio Jena Album der Woche.