Thomas Röhler ist gebürtiger Jenenser und erreichte den Status als einer der besten deutschen Speerwerfer überhaupt. Wie er es aus Jena heraus in die Weltklasse schaffte und was ihm der Olympiasieg bedeutet, erzählt Röhler im Gespräch mit Sporteule Janne. Ein Interview über kleine Schritte und den großen Wurf!
Thomas Röhler sitzt auf einem in die Jahre gekommenen Hocker, wie ihn viele von uns nur noch aus dem Sportunterricht kennen. Der Leichtathlet fühlt sich wohl im Kraftraum der Laufhalle Oberaue. Während ich es mir auf einer Hantelbank gemütlich mache, fängt er an, zu erzählen. Von seinen größten Erfolgen und schönsten Erinnerungen. Aber der Reihe nach. Auf seine Anfänge in Jena blickt der Speerwerfer nämlich gerne zurück: “Ich muss sagen, dass ich mittlerweile Struktur viel, viel mehr wertschätze, als zu der Zeit, wo man als kleines Kind plötzlich in der AG steht, Leichtathletik ganz cool findet, da seine Freunde hat, sein soziales Umfeld hat, irgendwann im Sportgymnasium trainieren darf, um dann eines Tages Olympiasieger zu werden. Den Weg bin ich gegangen in Jena. Bin da auch stolz drauf. In einer doch sehr spezialisierten Disziplin brauchst du natürlich jemanden, der dich ein Stück weit anleitet, an die Hand nimmt. Du brauchst eine Gruppe, du brauchst ein Team. Und all das gab es am Anfang in Jena, hat sich dann weiterentwickelt und ist so weit gekommen, dass ich es dann mitgestaltet habe.”
Wichtig war dem heute 33-Jährigen aber auch, seinen Karriereweg mit einem Studium in Sport und Wirtschaft abzusichern. Nicht immer einfach, auch wenn es die nötige Unterstützung gab: “Ich muss sagen, die Excel-Tabelle war mein größter Freund. Da gab es grüne Felder, da gab es gelbe Felder und blaue Felder. Und je nachdem, welche Farbe das Feld hatte, durfte der Coach da Training hinplanen oder auch nicht. Speerwerfen ist keine Disziplin, wo man reingeht und sagt: ‘Okay, wenn es klappt, bin ich danach ausgesorgt.’ Ich muss sagen, ich musste das Papier zum Glück nie rausholen. Im Schnitt ist es das persönliche Gespräch mit den verschiedenen Lehrstühlen, die dann auch ein gewisses Verständnis entwickeln, wenn man an einer Pflichtpräsenz mal nicht teilnehmen kann, weil man sich irgendwo auf der Welt rumtreibt und Speere wirft. Und wenn man das einigermaßen erfolgreich macht, haben die Leute da auch definitiv Verständnis dafür. Zu der Zeit wusste ich auch noch nicht 100 Prozent, wo wird es denn mit dem Sport eines Tages hingehen. Das heißt, ich musste beides 50:50 auch sehr ordentlich und auch in hoher Qualität ausbalancieren. Wir sind beim Campusradio. Ich glaube, da wissen alle, das einzuschätzen, dass man auch auf dem Papier einfach Student sein kann und eigentlich täglich sich mit anderen Dingen beschäftigt. Mir war es aber wichtig, wirklich beides auf die Reihe zu bekommen.”
Röhler über den Aufstieg zu den Profis: “Leute haben erkannt, dass du irgendwas besser machst”
An einem gewissen Punkt hat Röhler realisiert, dass der Speerwurf mehr sein kann als nur die große Leidenschaft: “Also meine erste U20-Nationalmannschaft, da habe ich verstanden: Okay, da haben außen Leute erkannt, dass du irgendwas besser machst, und haben dir jetzt einen Bundesadler auf die Brust gepappt. Und da habe ich verstanden: Okay, du hast eine Chance, du bist talentierter als andere. Und ich glaube, das war nochmal ein Motivationsschub, der mich vielleicht nochmal die eine oder andere Stunde mehr investieren lassen hat.”
Wie man überhaupt einen Speer richtig wirft, ist fast schon eine Wissenschaft für sich: “Zuerst einmal die größte Herausforderung ist, dass dieses 2,70 Meter lange Gerät – das ist 800 Gramm schwer für die Männer – dass der mit der Spitze zuerst landet. Der muss mit möglichst acht Grad die Wiese berühren und das mit der Spitze zuerst, ansonsten ist es gar kein gültiger Versuch. Ich erkläre es sehr gerne am Anfang erstmal aus einer Mischung aus Dart spielen, Papierflieger werfen, nur mit ein bisschen mehr Kraft. Weil sehr viel Gefühl erstmal dazugehört. Man braucht eine sehr große Schulterbeweglichkeit, um überhaupt erstmal den Ellenbogen sicher unter den Speer zu bewegen. Wir haben einen typischen Anlauf, der erstmal aus einem zyklischen Anlaufteil besteht, also einem normalen Anjoggen mit Speer in der Trageposition. Und dann gibt es die klassischen Kreuzschritte, die sind sehr einprägsam. Das ist das, woran man Speerwerfen erkennt. Wir haben die Anlaufgeschwindigkeit, die uns hilft, einen Bogen zu spannen. Wir sind ein menschliches Katapult. Das heißt, wir nehmen die Anlaufgeschwindigkeit mit, nutzen die Trägheit im Oberkörper, nutzen die Trägheit vom Speer, um dann Spannung aufzubauen, die dann gelöst wird. Ich glaube, das ist die kürzeste Erklärung, die man für eine sehr komplizierte, komplexe Geschichte jetzt geben kann.”
Der Rekordwurf von Thomas Röhler im Video
Ein spezielles Highlight feierte Röhler dann quasi zum Saisonauftakt 2017. Dort sicherte er sich mit einer Weite von 93,90 Metern sogar zwischenzeitlich den deutschen Rekord. Eine wahnsinnige Leistung: “In Doha hat dann sehr vieles gepasst. Es waren klasse Bedingungen. Ich habe mich gut eingeworfen und habe dann mehrere Runden auf Rang zwei verbracht. Ich hatte aber irgendwie keine Lust, an dem Tag Zweiter zu werden. Dann ist meine Bestleistung passiert.”
Und auch Olympiasieger kann sich Röhler nennen. Ein Erfolg, der sein Leben prägt: “Ein sehr glücklicher Moment. Man realisiert Olympische Spiele erst Wochen danach, wie viele Menschen man damit glücklich macht. Und ich sage sehr gerne: ‘Es ist die größte Referenz im Lebenslauf, die man sich als olympischer Athlet irgendwie erarbeiten kann.'”

Ohne Rückschläge kommt eine solch erfolgreiche Karriere allerdings auch selten aus. Beim Verletzungsthema setzt der Leichtathlet auf einen bedachten Umgang: “Wenn Sport ausschließlich das eine ist, was du hast, dann ist diese Verletzung schon ein sehr starker Einschnitt. Wenn daneben aber noch was anderes da ist – Familie, Umfeld, Jobs, wie auch immer – dann kann man sich ein Stück weit auch ablenken und dem Körper mehr Zeit geben. Und dieses Zeitgeben ist für mich das Rezept Nummer eins. Also Verletzungen realisieren, ehrlich zu sich sein: ‘Ja, ich bin verletzt. Das klappt gerade nicht mit dem Speerwerfen, das kann nicht funktionieren.’ Dann sich Zeit nehmen. Einfach die Schritte gehen, die nötig sind. Da gibt es leider keine Abkürzung bei Verletzungen.”
Jena als Chance für Talente: “Wir haben eine geniale Infrastruktur”
Mit Blick auf den Sportstandort Jena hält Röhler weiterhin viel möglich, wenn das Zusammenspiel klappt: “Wir haben eine geniale Infrastruktur. Ich glaube, da können wir uns definitiv nicht beschweren. Gerade durch die Unterstützung des Sportgymnasiums ist da sehr viel machbar, auch in der Kooperation mit der Universität. Also, wir können den Talenten was bieten. Und wenn wir dann mit den Unternehmen gemeinsam auch Perspektiven aufbringen können, dann wird das was.”
Die weiteren Ziele für den 33-Jährigen sind klar – dem Speerwurf treu bleiben und an der Strahlkraft der Jenaer Abteilung arbeiten: “Ich habe viele Ideen und auch Ansätze, was man nach meiner aktiven Karriere machen könnte, für Impacts im Sport. Ein JenJavelin Festival beispielsweise gab es viele Jahre. Sowas wird wiederkommen. Als Coach 24/7 kann ich mir aktuell weniger vorstellen. Ich bin wirklich eher einer, der mitgestaltet. Als Mentor sehe ich mich an der Stelle auch. Wir sind da auf einem guten Weg. Bei uns im JenJavelin-Team haben wir da aktuell wirklich wieder eine schöne Entwicklung, weil wir dann auch aus Jena heraus wieder international sein können. Und ich glaube, das ist der Weg, den man einfach auch gerade in der Leichtathletik oder olympischen Sportarten gehen muss. Moderne, internationale Teams, um einfach für Leistung auch gemeinsam mit viel Freude an der Sache auch kämpfen zu können.”
Das ganze Gespräch mit Thomas Röhler gibt es auch hier zum Nachhören: