Eulenspiegel – der Kommentar aus der Redaktion: Wir schaffen es nicht alleine

Regelmäßig werden Deepfake-Pornos von Frauen erstellt und im Netz geteilt. Nacktvideos ohne ihren Consent. Wer nicht versteht, wie gefährlich das ist, ist Teil des Problems. Außerhalb des Internets erfahren Frauen ebenfalls konstant Diskriminierung. Deswegen ist der 8. März – Internationaler Frauentag, bzw. feministischer Kampftag – auch heute wichtig. Rebeccas Meinung: Die Männer müssen mitmachen!

Wir Frauen schaffen es einfach nicht alleine. So ernüchternd das klingt: Ohne Männer wird die feministische Bewegung nicht weit kommen. 

Ende Januar wurde bekannt, dass sich ein Streamer Deep Fake Pornos von einigen seiner Kolleginnen angesehen hatte. Deep Fake Technologien ermöglichen es, Videos, Tonaufnahmen oder Bilder von Situationen zu erstellen, die so nie passiert sind. In Deep Fake Pornos werden pornographische Videos von Menschen erstellt, die diese nie aufgenommen haben – also Nacktvideos ohne Consent. Für die Betroffenen bedeutet das Bloßstellung und eine öffentliche Erniedrigung.  

Die Reaktion vieler männlicher User hingegen: Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, muss damit rechnen, dass so etwas passieren kann. Und, was ist denn so schlimm daran, die Videos sind doch sowieso nicht echt. 

Wer nicht versteht, dass Nacktvideos, denen man nicht zugestimmt hat, ein Eingriff in die Privatsphäre einer Person sind und eine Form von Missbrauch darstellen, ist Teil des Problems.  

Zahlen aus 2021 zeigen auch: Es kursieren weitaus mehr Deepfake Pornos von Frauen als von Männern.  

Bei meiner Recherche für diesen Beitrag habe ich “youtuberin deep fake porn” gegoogelt. Meine Suchmaschine warnte mich direkt: “Safe Search ist deaktiviert. Die Ergebnisse könnten Nacktheit, sexuelle Inhalte oder andere anstößige Ergebnisse enthalten”. Und siehe da, von 10 Suchergebnissen sind 8 Links zu Pornos von u.a. deutschen YouTuberinnen. Es heißt oft: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Aber solange diese Videos so einfach zugänglich sind, werden Frauen nicht geschützt. 

Dies war nur ein Beispiel von vielen. Aber auch außerhalb des Internets haben Frauen nicht denselben Stand wie Männer. Neben sexualisierter Gewalt sind Frauen im Alltag vielen Benachteiligungen ausgesetzt. Gender Pay Gap, ungleiche Care Arbeit und Pink Tax kennt man, aber es geht viel tiefer, denn die Ungleichheit ist systemisch. 

Weil lange nur Herzinfarkte von Männern untersucht wurden, erkannte man nicht, dass sich Herzinfarkte bei Frauen anders auswirken. Das Risiko an einem Herzinfarkt zu sterben, war also für Frauen größer, weil man die Symptome nicht erkannte, da sie nicht den typisch männlichen entsprechen. Selbiges gilt für viele psychische Erkrankungen. Dazu gehört auch, dass Medikamente und deren Dosierungen an Männer angepasst sind. 

Sitzgurte im Auto wurden anfangs nur mit männlichen Dummies getestet, sodass sie zeitweise lebensgefährlich für Frauen waren, weil sie beim Aufprall lebenswichtige Organe verletzen konnten.  

Ein nett gemeinter Tipp, um sich gegen ungewünschte Anmachversuche von Typen zu wehren, ist: “Sag, dass du einen Freund hast”. Bei vielen funktioniert das. Ein Nein einer Frau ist eben weniger wert als die Gefühle eines nicht anwesenden Mannes.  

Frauen werden im patriarchalen System einfach nicht gesehen. Deswegen liegt es an den Männern, etwas zu tun. Die Unterdrückten können in einem System nur so viel erreichen. Es braucht die Unterstützung der Privilegierten, um aus der Ungleichheit herauszukommen.  

Michael S. Kimmel ist ein amerikanischer Soziologe, der sich mit Männlichkeitsstudien auseinandersetzt. In seiner Monographie “Manhood in America” schreibt er, dass Männer vor allem andere Männer beeindrucken wollen und sich ihr Handeln daraus ergibt.  

Wenn also bei Männern Gleichberechtigung zur Norm wird, ist die Schlussfolgerung, dass andere Männer, und sei es nur um ihre Geschlechtsgenossen zu beeindrucken, Gleichberechtigung als ihre Maxime annehmen. Dazu gehört allerdings, dass sich Männer der systemischen Ungleichheit bewusst werden. Wie tief die reicht, scheint vielen nicht bekannt zu sein. 

Gesellschaftspolitische Entwicklungen brauchen viel Zeit. Der erste Frauentag war 1911. Über 100 Jahre später hat der internationale feministische Kampftag keineswegs an Relevanz verloren. Und mit Phänomenen wie Deepfake Pornos kommen immer wieder neue Gründe dafür hinzu.