Eulenspiegel – Schwangerschaftsabbrüche

Wer zuletzt die Nachrichten verfolgt hat, konnte ein Thema nicht nicht mitbekommen: Schwangerschaftsabbrüche. Die USA haben sie verboten, in Deutschland darf man nun dafür werben, Rebecca kommentiert sie jetzt im Eulenspiegel.

Der 24. Juni 2022 war ein geschichtsträchtiger Tag. In Deutschland wurde das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche aufgehoben, in den USA der Weg frei gemacht für schärfere Gesetze, die zu einem Verbot von Abtreibungen führen können. Spitz gesagt: Während Deutschland endlich auf dem Weg in eine bessere Zukunft ist, wurden in den USA die Uhren radikal zurückgedreht. Moderne Aufklärungsgesellschaft ade.

Aber von vorne:

Schwangerschaftsabbrüche sind ein gesellschaftlich viel diskutiertes und dennoch gemiedenes Thema. In Deutschland sind sie durch Paragraph 218 im Strafgesetzbuch mit Freiheits- oder Geldstrafe belegt. Daran hat sich auch mit dem 24. Juni nichts geändert – Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland illegal. Sie werden nur dann nicht strafrechtlich verfolgt, wenn man eine Schwangerschaftskonfliktberatung wahrnimmt, die Wartezeit einhält und dabei nicht die 12. Schwangerschaftswoche überschreitet – dann ist ein Abbruch de facto erlaubt. Eine solche Beratung bieten einige Frauenarztpraxen an, bis zum 24. Juni dieses Jahres durften sie allerdings nicht für dieses Informationsangebot werben. In den USA wiederum waren Schwangerschaftsabbrüche durch den fast 50 Jahre alten Rechtspruch des Surpreme Courts “Roe vs. Wade” gestattet, der es schwangeren Personen erlaubte, selbst über Abbruch oder Fortführung einer Schwangerschaft zu entscheiden.

Die Streichung des Paragraphen 219a aus dem deutschen Strafgesetzbuch sorgte für Euphorie unter Befürworter:innen, die Aufhebung von “Roe”, wie es umgangssprachlich heißt, sorgte weltweit für Entsetzen. Abtreibungsgegner:innen empfinden gegensätzlich.

Schwangerschaftsabbrüche sind normal, in manchen Fällen notwendig und lebenserhaltend, und sollten immer Resultat der Entscheidung der schwangeren Person sein. Körperliche Autonomie nennt sich das. Ich möchte die Möglichkeit haben, selbst über meinen Körper zu bestimmen. Das ist bei einem Abtreibungsverbot nicht gegeben. Noch dazu sind Abtreibungen kein Hobby. Sie sind gut überlegte medizinische Eingriffe, und für die Betroffenen in der Regel die Ultima Ratio. Die Debatte um Schwangerschaftsabbrüche zeigt eben: Es geht nicht darum, ob man es tun würde oder nicht, sondern, ob man es darf. Und das ist problematisch.

Wir rühmen uns immer damit, in einer liberalen Gesellschaft zu leben, in der die individuelle Entscheidung eines der höchsten Güter ist. Man denke an Debatten über Masken- und Impfpflicht zurück, wo ein wichtiges Argument immer die Persönlichkeitsrechte der Bürger:innen waren. Man könne niemanden dazu zwingen, sich impfen zu lassen – der Staat hat in unseren Körpern nichts verloren. Warum dann also andere Werte gelten lassen, wenn es um Schwangerschaften geht?

Das Venn-Diagramm von Abtreibungsgegner:innen und tiefreligiösen Menschen ist wahrscheinlich ein Kreis, in den USA mehr als in Deutschland, aber auch unser Nachbar Polen, ein stark katholisches Land, hat scharfe Abtreibungsgesetze. Im Zentrum steht hier immer: Der Schutz des ungeborenen Lebens. Eine Frau in Polen starb an einer Sepsis, weil ihr eine Abtreibung verweigert wurde. Grund: Sie war mit Zwillingen schwanger und während der eine Fötus abgestorben war, wollte man aus Schutz des zweiten Fötus’ keinen Eingriff vornehmen. Wenn es also “Pro-Life” heißt, geht es im seltensten Fall um den Menschen, der schon lebt. Wenn aber gläubige Menschen ihr Leben leben dürfen, wie sie wollen, dürfen nicht-gläubige das auch. Abgesehen davon haben Menschen aller und keiner Religionen Abtreibungen.

Was sind die Konsequenzen solcher Entscheidungen wie in den USA? Abtreibungen werden durch Verbote nicht weniger. Nur weniger sicher für die, die nur illegal und unter hohem Risiko diesen Prozess durchlaufen müssen. Es werden schon Tipps geteilt, wie man eine Abtreibung zu Hause durchführen kann. Das ist Wahnsinn und lebensgefährlich. Problematisch ist auch, dass ein Abtreibungsverbot vor allem sowieso schon benachteiligte Gruppen treffen wird. Reiche werden immer einen besseren Zugang zum Gesundheitswesen in den USA haben.

Wer weniger Schwangerschaftsabbrüche will, braucht bessere Aufklärungsarbeit schon im Kindesalter, keine Verbote. In Deutschland sollte also als nächstes die Streichung von Paragraph 218 auf dem Plan stehen. Die USA sollten vielleicht erstmal wieder zurück ins Jahr 2022 finden.