von Rebecca Bück

Am 25. Mai 2020 wurde George Floyd umgebracht. Wie viele schwarze Menschen in den USA vor ihm, wurde er Opfer von Polizeigewalt. Weltweit wurde in seinem Namen und all derer, die dasselbe Schicksal erlitten haben, protestiert. Auch in Deutschland gab’s einige Demonstrationen und auf Instagram haben viele User:innen aus Solidarität schwarze Kacheln gepostet. Und heute? Ist Rassismus jetzt vorbei? Im Gegenteil. Rebecca kommentiert Alltagsrassismus in Deutschland im Eulenspiegel.

Black Lives Matter. Ne, warte: Hashtag Black Lives Matter. Rassismus ist ein tolles Thema, um Haltung zu zeigen: einfach sagen „ich bin nicht rassistisch“ und zack, Mission erfüllt. Reicht doch, oder?

Reicht nicht, sage ich. Wenn du dich jetzt fragst, wieso ausgerechnet ich dir sagen kann, was du zum Thema Rassismus zu tun und zu lassen hast – lass mich dir etwas aus meinem Leben erzählen.

Ich bin POC – Person of Colour. Auf gut Deutsch: Ich bin braun. In meinen 25 Jahren auf diesem Planeten habe ich mehr Erfahrungen mit Rassismus gemacht als ich zählen könnte. Im Supermarkt, beim Bäcker, in der Straßenbahn, in der Schule, in der Uni, beim Shoppen, im Gespräch mit Freund:innen, im Gespräch mit Fremden, die Liste ist lang. Und ich weiß, solange ich lebe, wird das auch nicht aufhören.

Ich kann mich glücklich schätzen – bisher habe ich keine Erfahrungen mit rassistischer Gewalt gemacht. Aber ist es wirklich Glück, wenn man in seinem Heimatland nicht das Gefühl hat, dazuzugehören? Besonders hier in Thüringen haben sich die Erfahrungen gehäuft, was ich schade finde. Ich glaube nicht, dass „der Osten“ die Vorurteile, mit denen er behaftet ist, verdient hat. Das ändert nichts an der Realität. Eine Umfrage der dualen Hochschule Gera-Eisenach hat ergeben, dass 88% der Migrant:innen in Gera rassistische Erfahrungen gemacht haben. Ich war ein einziges Mal dort und wurde dumm angemacht. Von den Blicken ganz zu schweigen. Rassismus ist aber kein Problem des Ostens, als ich sieben war wurde ich von unserem Nachbarn mit dem N-Wort bezeichnet. In Baden-Württemberg.

Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, dem wir uns annehmen müssen. Was viele nicht verstehen, oder verstehen wollen, ist dass wir in einer rassistischen Gesellschaft leben. Wir wachsen alle mit bestimmten Bildern in unseren Köpfen auf, die besagen, was normal ist. Hautfarben, sexuelle Orientierungen, Religionen und vieles mehr sind Bereiche, in denen wir eine Vorstellung haben, wie die Norm sein soll. Wenn etwas davon abweicht, gehört es nicht dazu.

Weiß sein ist in Deutschland die Norm. Zumindest war sie das lange. Inzwischen gibt es immer mehr Menschen, die dieser Norm nicht entsprechen. Das macht sie aber nicht weniger deutsch. Oder weniger wertvoll.

Das Problem am Alltagsrassismus ist, dass ihn meist nur die Betroffenen wahrnehmen. Kleine Aggressionen, wie misstrauische Blicke im Supermarkt, die ewige „wo kommst du eigentlich her“ -Frage, Kommentare zu unseren Haaren, die auch „nett gemeint“ sein können, die N- oder Z-Wort-Debatte, Affengeräusche in Stadien und so vieles mehr zeigen uns: „Du bist anders, du bist nicht deutsch, du bist fremd“. Das mag so nicht gemeint sein, wer dies aber tagtäglich erlebt, hat dafür nicht mehr die Kraft. Übrigens ist Rassismus sehr individuell. Was die eine Person als anstößig empfindet, mag die andere nicht stören. Sensibilität gegenüber anderen schadet aber nie.

Ich möchte noch eine Sache zu Rassismus in Deutschland sagen. Wir schauen viel über den großen Teich und denken uns: „Wow, die Amis haben ein echtes Rassismusproblem.“ Das haben wir auch. Und nicht nur gegenüber Menschen mit schwarzer oder brauner Haut.

Dass Gedanken zu Taten werden können sieht man auch hier in Deutschland: Polizeigewalt, verbale Attacken und rassistisch motivierte Straftaten. Hier in Jena ganz präsent der NSU, und mit 2020 auch der Anschlag in Hanau. Spätestens seit da wissen alle Menschen, die aussehen wie ich, dass es uns jederzeit treffen kann. Ich könnte die nächste sein.

Wenn es also Black Lives Matter heißt, versteht, dass es für uns genau darum geht. Deswegen reicht es nicht, nur zu sagen „ich bin nicht rassistisch“. Seid anti-rassistisch. Sagt was, wenn eure Freund:innen einen rassistischen Spruch machen, schreitet ein, wenn jemand in eurer Gegenwart rassistisch behandelt wird. Bildet euch weiter. Nur wenn die weiße Mehrheitsgesellschaft das Problem Rassismus auch als ihr Problem wahrnimmt, kann sich etwas ändern. Und ändern muss sich viel.