Wie angeboren ist unser Geschlecht – und wie heilbar ist Homosexualität? Eine Jenaer Studentenverbindung scheint sich für diese Fragen lebhaft zu interessieren und organisiert am heutigen Abend einen Vortrag mit einer Expertin aus dem ultra-konservativen Spektrum: Die Soziologin Gabriele Kuby wird zu „Gender-Mainstreaming – Verlust der Freiheit durch Freiheit ohne Grenzen?“ referieren. Hinter dem rhetorisch verklausulierten Titel verbirgt sich eine Veranstaltung der Katholischen Deutschen Studentenverbindung Saarland zu Jena. Die Referentin, Jahrgang 44, mit Wohnsitz in Oberbayern hat seit ihrer Konvertierung zum katholischen Glauben 1996 mit mehreren Publikationen auf sich aufmerksam gemacht. In einem Buch verteufelte sie 2003 bereits Harry Potter als „ein Vergehen an der jungen Generation, sie spielerisch zur Magie zu verführen“ und erhielt dafür Lob von Kardinal Ratzinger, dem heutigen Papst Benedikt. In einem Essay in der Jungen Freiheit, der Hauspostille der neuen Rechten, geißelte Kuby Aufklärung in Schulen über Homosexualität als Verführung zu einer „auf Lustbefriedigung reduzierten Sexualität ohne elterliche Bindung“, im Internet spricht sie sich gegen eine „Homosexualisierung der Gesellschaft“ aus. Die Philosophin Petra Gehring warf Kuby vor, „homophobe Polemik“ zu verwenden.

Kubys Vortragsgegenstand am heutigen Abend, das Gender-Mainstreaming, bezeichnet nach Definition des Bundesministeriums für Familie, Jugend und Frauen eine geschlechtersensible Gleichstellungspolitik auf allen gesellschaftlichen Feldern. Kuby reibt sich in ihrer Internetschrift „Die (un-)heimliche Revolution“ vor allem am Wort Gender, das die Annahme einer biologischen Vorbestimmtheit des sozialen Geschlechts verwirft. Sie sieht das Geschlecht „in jeder Körperzelle“ vorgeprägt und für Gender Mainstreaming die Ursache in einem gesellschaftlichen „Relativismus“. Für Matthias Gothe vom Jenaer Arbeitskreis Queer Paradies ist der Vortrag der papsttreuen Soziologin problematisch:

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In einem Interview mit einem erzkatholischen Internetsender empfiehlt Kuby Eltern eine Umerziehung durch Wüstenstrom, eine Organisation, die es sich zur Aufgabe macht, mit seelsorgerischer Hilfe die „Störung“ (Oton Kuby) zu heilen, für deren Symptom sie homosexuelle Neigungen hält. Das Campusradio bat die veranstaltenden Studentenverbindung um eine Stellungnahme zu dem Vortrag – bisher ohne Rückmeldung.

Heute Abend findet Kubys Vortrag im der Studentenverbindung Saarland zu Jena um 20 Uhr statt. Der AK Queer Paradies ruft zur Demonstration dagegen auf – vor dem Verbindungshaus, Treffpunkt ist Löbdergraben 9a.

Info: Katholizismus und Homosexualität: Wie homophob ist die Papst-Doktrin? [audio:https://www.campusradio-jena.de/wp-content/uploads/sites/5/2011/12/110923_Papstpositionen_Homosexualität.mp3|titles=110923_Papstpositionen_Homosexualität]