Vor kurzem hatte das Bundesverwaltungsgericht einen ziemlich interessanten Fall auf dem Verhandlungstisch. Es ging um eine mögliche Aufhebung des Compact-Magazin-Verbots. Unsere Eule Viki hat sich die Zeit genommen, euch in einem Eulenspiegel ihre Meinung – wichtig, ist nicht die Meinung des Campusradios! – zu Compact und dem Compact-Verbot mitzuteilen.

Vor fast drei Monaten ist das Compact-Magazin verboten worden. Das Compact-Magazin ist ein rechtsextremistisches Medium. Es verkaufte einerseits analoge Magazine und betrieb andererseits auf digitalem Wege einen YouTube-Channel. Von reißerischen Schlagzeilen bis rechtsextremer Hetze – für all das hatte Compact Platz. Aufgrund dessen hat unsere momentane Innenministerin Faeser das Magazin verboten, sowohl on- als auch offline. Kurz nach dem Verbot, spross auch schon die Berichterstattung dazu aus dem Boden. Mehr als einmal ist dabei das Wort “Zensur” gefallen.

Aber was ist das überhaupt, „Zensur“? Zensur kommt vom Lateinischen censere, und bedeutet so etwas wie „Prüfung“, „Beurteilung“. Mit der Zensur bezieht man sich heutzutage nicht nur auf Benotungen im akademischen Kontext. Zensur beschreibt auch, wenn der Staat oder staatsähnliche Organe Texte und Medien vor-überprüft. Ein harmloses Beispiel wäre hier die Indizierung von Filmen, um dafür zu sorgen, dass besonders gewalttätige Inhalte wirklich nicht von Jugendlichen konsumiert werden können. Aber auch geschichtlich finden sich Beispiele. So unter anderem bei den Karlsbader Beschlüssen von 1819. Ja, ich weiß, es ist lange her – aber bear with me, ihr versteht gleich, warum wir uns in die deutsche Geschichte zurückziehen.

Mit den Karlsbadern Beschlüssen sollte damals verhindert werden, dass sich gefährliche Ideen in der Bevölkerung verbreiten. Die Staatslenker – die Fürsten und andere Adelige des Deutschen Bundes – hatten Angst vor diesen Ideen. Von „Einheit“ war die Rede, dem Verlangen nach einem deutschen Nationalstaat, wie Frankreich. Von „Freiheit“ war die Rede, dem Bestreben, den Bürger:innen Menschenrechte in Form einer Verfassung zu geben. Sogar das Wort „Demokratie“ wurde hinter vorgehaltener Hand geflüstert. Dieses brandgefährliche Ideengut galt es einzudämmen! Und so wurden Zeitungen auf ihren Inhalt kontrolliert, Vorlesungen an deutschen Unis überwacht und eine Strafverfolgungseinheit gegründet. Das Ziel war also klar: Auf keinen Fall, sollten die Leute etwas von „Einheit“, „Freiheit“ oder „Demokratie“ hören, geschweige denn selbst davon reden. Wie das ausgegangen ist – zugegebenermaßen mit einigen Irrungen und Wirrungen und Weltkriegen auf dem Gewissen – ist bekannt.

Meiner Meinung nach könnte man also zusammenfassen: Zensur, das ist im Kerngedanken also das Kleinhalten von Ideen. Etwas, was man leider so gar nicht über die Meinungen und Ideen sagen kann, die im Compact verbreitet wurden. Denn die Meinung, so kommt es zumindest mir vor, ist bereits überall.

Die Ideologie des Compact-Magazins begegnet uns in Form von „Ausländer raus“-Gegröle. Sie begegnet uns in Form von steigenden Angriffen auf Homosexuelle oder politisch Linksdenkenden, wie die Grünen. Und sie begegnet uns im Stadtrat, im Landkreis, im Landtag, im Bundestag und sogar schon in Europa. Sie begegnet uns in den Worten „Messermänner und Kopftuchmädchen“ oder in abwertenden Begriffen wie „Pashas“.

All diese Beispiele zeigen: Compact ist nicht kompakt. Compact ist ein Netzwerk. Compact ist die AfD, die Partei „Die Heimat“ – früher mal als NPD bekannt. Es ist der NSU, die Sylter Jung-Bourgeoisie, die knapp 25.00 Reichsbürger:innen. Es ist der Mörder Stephan Ernst, der damals Walter Lübcke erschossen hat. Es sind die 66% der AfD-Sympathisierenden, denen es egal ist, dass die AfD in Teilen rechtsextrem ist. Es sind die – Stand jetzt – rund 30%, die die AfD im September in den Thüringer Landtag gewählt haben.

Ist das Compact-Verbot also der Vorbote, der uns kündigt, dass die Presse- und Meinungsfreiheit untergeht? Ich denke nicht! Stattessen ist das Verbot ein längst überfälliges Zeichen. Ein Zeichen, dass wir schon viel zu lange nicht mit Rechten geredet, sondern ihnen die Kanzel zum Predigen geräumt haben. Ja, in Deutschland herrscht die Meinungsfreiheit. Aber auch sie findet ihre Grenzen.

Es ist die Grenze, dass auch die Presse- und Meinungsfreiheit ihre Schranken im Grundgesetz findet. In der Achtung der Persönlichkeitsrechte anderer. In dem Verbot, den Holocaust zu leugnen. In der Ewigkeitsklausel, die die deutsche Demokratie unumstößlich machen soll. Dass dort der Schlussstrich gezogen wird, haben wir nicht in weiser Voraussicht geahnt. Stattdessen mussten wir es – zum Leidwesen Europas und der Welt – in den 40ern erst noch mühsam lernen. Vielleicht ist Verbot auch ein bisschen ein Versprechen an 1819. Erinnert ihr euch noch? “Einheit”, “Freiheit” und “Demokratie”? Das sind alles hart erkämpfte Werte. Werte, die tatsächlich gegen Zensur, gegen Unterdrückung und gegen Gewalt durchgesetzt werden mussten. Werte, die Compact und geistige Konsorten jedoch immer wieder ignorieren oder sogar durch den Dreck ziehen. Und es sind Werte, die wir uns – meiner Meinung nach – nicht einfach von ein paar Nazis und emotional-geistigen Tieffliegern wegnehmen lassen sollten.

Dass das Bundesverwaltungsgericht das Compact-Verbot in Teilen wieder zurückgenommen hat, finde ich persönlich schade. Noch ist die letzte Schlacht aber nicht geschlagen. Mit einem Eileintrag konnte Compact zumindest für den Moment erwirken, weiter publizieren zu dürfen. Doch noch steht die Hauptverhandlung aus. In der Hauptverhandlung würde über ein endgültiges Verbot entschieden werden.

Ich persönlich hoffe, das Bundesverwaltungsgericht entscheiden sich für die Einheit, für die Freiheit und für die Demokratie. Und nicht für das Lügenmärchen von Zensur und beschränkter Meinungsfreiheit, wenn es um Nazi-Gewäsch geht.

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