Am Freitag, den 27. Juni 2025, hat die Ernst-Abbe-Hochschule Jena zum ganztägigen Symposium „Studieren mit Neurodivergenz“ eingeladen. Unsere Eulen Lea und Anne waren mittendrin, haben spannende Eindrücke gesammelt und berichten für euch.

Studieren bedeutet: Selbstorganisation, Disziplin, Konzentration. Der Alltag ist geprägt von vollen Hörsälen, komplexen Stundenplänen und einem hohen Leistungsdruck. Schon das ist für viele Studierende fordernd – für neurodivergente Menschen kann es eine dauerhafte Überforderung bedeuten.

Aber was bedeutet Neurodivergenz eigentlich?

Während Neurodiversität die natürliche Vielfalt neurologischer Veranlagungen beschreibt – also etwas ganz Normales und Positives –, meint Neurodivergenz eine Abweichung von dem, was gesellschaftlich als „normal“ gilt. Dazu zählen zum Beispiel Menschen mit einer Autismus- oder ADHS-Diagnose. Sie erleben ihre Umwelt auf eine andere Weise, bringen oft besondere Stärken mit – haben aber auch spezifische Bedürfnisse. Geräusche, die andere kaum bemerken, wie das ständige Klicken eines Kugelschreibers, können für sie zur Qual werden. Reizüberflutung in Hörsälen, grelles Licht, der Lärm in der Mensa – das alles kann zu Stress, sozialem Rückzug oder sogar Depressionen führen.

Das Bildungssystem ist meist nicht für neurodivergente Menschen gemacht. Prüfungsformate sind oft starr, Nachteilsausgleiche schwer zugänglich. Und das zieht sich vom Schulsystem bis an die Hochschule. Um auf genau diese Missstände aufmerksam zu machen, hat die Ernst-Abbe-Hochschule Jena am vergangenen Freitag ein ganztägiges Symposium veranstaltet – unter dem Titel: „Studieren mit Neurodivergenz“.

Organisiert wurde das Symposium maßgeblich von Laura Steiner, Leiterin der AG Neurodiversität an der EAH. Sie ist selbst von ADHS und Autismus betroffen und engagiert sich auch im Vorstand des Studierendenrats. Ihr Ziel: mehr Sichtbarkeit für neurodivergente Perspektiven und bessere Studienbedingungen. Auch im Campusradio-Podcast „Wer forscht hier?“ sprach sie bereits über ihre Erfahrungen und die Arbeit der AG.

Neben wissenschaftlichen Beiträgen, zum Beispiel von Andrea Kowallik, die über die sogenannte Außensicht und die Autismusdiagnostik im Erwachsenenalter sprach, standen vor allem persönliche Erfahrungsberichte im Fokus. Stefan von Rein gab Einblicke in die Innensicht neurodivergenter Menschen und erzählte, wie er sich in der Schule oft wie „ein Pinguin im Storchennest“ fühlte. Die ständige Anpassung an die Verhaltensnormen neurotypischer Menschen, auch Masking genannt, habe ihn körperlich und seelisch stark belastet.

Auch in einem Videobeitrag vom Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke und Ines Fischer wurde deutlich: Schon in der Schule war der Lärm auf dem Pausenhof, das flackernde Licht im Klassenraum oder der Zwang, Pausen mit anderen verbringen zu müssen, eine ständige Reizüberlastung.

Ein besonderes Highlight war eine AR/VR-Simulation: Mit einer speziellen Brille konnten Teilnehmende in eine virtuelle Welt eintauchen – und so erleben, wie sich ADHS im Alltag anfühlen kann. Ziel war es, durch diese Erfahrung mehr Verständnis und Empathie zu fördern.

Ergänzt wurde das Symposium durch eine Vielzahl an Infoständen. Vertreten waren unter anderem die Selbsthilfegruppe ADHS und Autismus Jena, die Hochschulgruppe NeuroSpektrum, das Projekt Autismus – virtuelle Impressionen – und auch Studierende der EAH selbst. An ihrem Stand präsentierten sie sogenannte Stim-Toys, also Dinge wie Magnetkugeln oder Anti-Stress-Bälle, die vielen neurodivergenten Menschen helfen, sich zu konzentrieren oder innere Unruhe zu regulieren.

Alles in allem war es ein Symposium, das nicht nur informiert, sondern auch Begegnungen ermöglicht hat – und damit einen wichtigen Schritt hin zu mehr Inklusion im Studium.