Einige von uns beschäftigen sich mehr mit politischen Nachrichten, andere weniger. Was aber sicher an uns allen nicht vorbeigeht, ist, dass sich das politische Klima in den letzten Jahren verändert. Wer sich damit einmal genauer beschäftigt, dem fällt sehr schnell auf, dass vieles, was in der Politik gerade passiert, einen ganz schön mitnehmen kann. Unsere Eule Lea teilt in diesem Eulenspiegel ihre Gedanken dazu mit euch.
Liebe Politik,
erinnerst du dich an 2016? Ich war 15 Jahre alt und habe gerade angefangen, mich wirklich mit dir auseinanderzusetzen. Nachdem das Brexit-Referendum im Juni mich schon stark an meinem Glauben an die Menschheit hat zweifeln lassen, stand ich im November voller Hoffnung im Schlafanzug vor dem Radio, um die 7 Uhr Nachrichten anzuhören. Donald Trump wurde an diesem Tag zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt. Und ich? Ich kam mir vor wie im falschen Film.
Heute bin ich nicht mehr 15, sondern Anfang 20. Über den Brexit redet kaum noch jemand und Donald Trump ist nach 4 Jahren Pause auch der 47. Präsident der USA. Rechte Parteien sitzen überall in Europa in den Parlamenten und die AfD wird in Deutschland zur zweitstärksten Kraft gewählt, obwohl sie in einigen Bundesländern als gesichert rechtsextrem gilt. Wir leben in einer Welt, in der narzisstische Populisten, offensichtliche Antidemokraten und homophobe, rassistische Ignoranten ganz weit oben in den politischen Sphären frei ihr Unwesen treiben. Davon geht eine Gefahr aus, die nicht nur unsere Demokratie, sondern ganz direkt auch Werte wie Solidarität oder Gerechtigkeit bedroht.
Wenn ich mit Menschen in meinem Umfeld darüber rede, wie es ihnen gerade geht, dann bist du, liebe Politik, zu häufig ein Grund dafür, dass es uns schlecht geht. Dabei stecken wir mitten im Studium und sollten das Leben eigentlich in vollen Zügen genießen. Wir sollten die Nächte durchfeiern und sommerlang mit unseren Freund:innen im Park verbringen, den Ernst des Lebens gekonnt ignorierend. Unsere größte Sorge sollte ein ungesund hoher Konsum von Nudeln mit Pesto sein, weil Sonntag mal wieder nichts anderes da war. Wörter wie Remigration oder Brandmauer sollten in unserem Leben keine Rolle spielen.
Stattdessen klicken wir uns durch die Instagram-Stories unserer Freund:innen, die wichtige politische Inhalte reposten, um der Ohnmacht irgendwas entgegenzusetzen. Wir fahren mitten in der Prüfungsphase nach Riesa, nach Apolda, oder sonst wo hin, um gegen Nazis zu demonstrieren. Mehr als einmal schon sind wir mit einem schlechten Gefühl aus politischen Gesprächen rausgegangen, weil einige Menschen immer noch denken, Menschenwürde sei verhandelbar.
Gründe für Weltschmerz gibt es genug
An manchen Tagen kann ich gut verdrängen, was politisch in Deutschland und der Welt passiert. Viel öfter fühle ich mich deswegen ohnmächtig. Ich fühle mich machtlos und weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin wütend, weil es immer noch zu viele Menschen gibt, die keinen akuten Handlungsbedarf sehen. Ich bin unkonzentriert, weil ich in Vorlesungen über Weltpolitik nachdenke, statt dem Inhalt zu folgen.
Der Gedanke an dich, liebe Politik, tut mir gerade weh. Gestern Abend habe ich mal wieder damit verbracht, Angst um die Welt zu haben. Und dabei ist es völlig egal, ob es gerade der Bruch der Ampelkoalition ist oder Friedrich Merz, der die Brandmauer niederreißt. Es ist völlig egal, ob es geheime Vertreibungspläne von AfD-Politker:innen sind, die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen oder die Kriege dieser Welt. Gründe für Weltschmerz gibt es mehr als genug und mit jedem Ereignis fühlt es sich an, als würde die Lage schlimmer werden. Als würden wir nur darauf warten und hilflos dabei zusehen, was als nächstes passiert.
In zu vielen Momenten weiß ich dann gar nicht so genau, ob ich lieber laut schreien oder jemanden schlagen möchte. Meistens drehe ich erstmal sehr laut Musik auf. Das Schöne daran ist, dass es genug Künstler:innen da draußen gibt, die es besser schaffen als ich, meine Gefühle in Worte zu fassen.
Mir hilft auch, mich mit anderen auszutauschen. Der Gedanke, nicht allein zu sein mit all meinen Sorgen, ist eine krasse Stütze. In Gesprächen mit meinen Freund:innen, meinen Eltern oder meiner WG stelle ich immer wieder fest, dass wir alle ähnliche Wut und ähnliche Ängste haben. Darüber reden nimmt einen Teil der Last. Wenn ich trotzdem mal kurz davor bin, resigniert aufzugeben, habe ich das große Glück, Leute um mich zu haben, die mich lange in den Arm nehmen können. Umarmungen sind gut gegen Weltschmerz.
Und auch auf einer Demo gegen Rechts zu stehen, mit Tausenden anderen, ist ein sehr bestärkendes Gefühl, aus dem ich viel Kraft schöpfen kann. Solche Momente lassen mich hoffen, dass wir irgendwann nicht mehr nur nach großen, medialen Aufschreien auf die Straße gehen, sondern regelmäßig versuchen, für unsere Werte einzustehen und für unsere Demokratie zu kämpfen.
Du, liebe Politik, tust mir weh. An manchen Tagen mehr, an anderen weniger. Ich schaue mit Sorgen auf das, was uns in Zukunft erwartet. Neben all der Ernüchterung bleibt aber trotz allem auch ein bisschen Hoffnung. Denn nicht wenige Menschen scheinen doch schon verstanden zu haben, dass “nie wieder jetzt” und Schweigen schon lange keine Lösung mehr ist.